Bericht von Katrin Kunz in den "Rudelnachrichten" der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V.
Was wie der Anfang eines Witzes klingt, war die bunte Zusammensetzung eines Seminars zum Thema "Wohin geht es mit dem Wolf? ", zu dem der Ökologische Jagdverband Bayern Anfang Februar nach Freising eingeladen hatte. Durch das Seminar führte Dr. Wolfgang Kornder, 1. Vorsitzender des ÖJV (Bayern und Deutschland), der bei der Auswahl der Referenten ein gutes Händchen bewies. Die Beiträge waren vielfältig, konstruktiv und interessant.
Gleich zu Beginn berichtete René Gomringer vom Schafbüro aus seiner langjährigen Erfahrung als Weidetierhalter und staatlicher Fachberater u.a. für Schafe und Ziegen. "Weidetiere als Beute unattraktiver als Wildtiere zu machen", muss laut Gomringer das Ziel des Herdenschutzes sein. Um dies zu erreichen, stellte er Maßnahmen wie Zäunung, Arbeit mit Hunden (Herdenschutzhunde, Hütehunde), Behirtung und Management (Weide- und Herdenmanagement) vor. 150 Jahren Nutztierhaltung ohne Wolf stehen 14.000 Jahre mit Wolf gegenüber. So "neu" ist die Herausforderung also nicht. Allerdings sind die Betriebsformen und die Weidetierhaltung der letzten Jahr zehnte äußerst sensible Konstrukte, die auch ohne Wölfe auf wackeligen Beinen stehen. Die Weidetierhaltung ist durch die Anwesenheit von Wölfen eindeutig von einer Vielzahl persönlicher, rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen bedroht. Glücklicherweise stellen sich viele Weidetierhalter dieser Herausforderung.
Einer von ihnen ist Norbert Böhmer aus Oberfranken (Weiderindfleisch Böhmer), der anschaulich von seinen Erfahrungen als Weidetierhalter berichtete. Seine Rinder haben ganzjährig Weidezugang, was ihn – seit es in seiner Umgebung wieder Wölfe gibt– zu einem Umdenken im Weidemanagement zwingt. Er wollte verstehen, wie Wölfe ticken und wie er seine Tiere am besten schützen kann.
"Ein gut erzogenes Wolfsrudel ist der beste Herdenschutz".
In der Schweiz lernte er einen anderen Rinderhalter kennen, der mit Pyrenäenberghunden arbeitete. Zu sehen, wie sich die Rinder auf die Schutzfunktion der Hunde verlassen, bestärkte ihn in seinem Entschluss, selbst mit Herdenschutzhunden zu arbeiten. Seitdem leben auch in seinem Betrieb Pyrenäenberghunde, die inzwischen zuverlässig in den Herden mit bevorstehender Abkalbung eingesetzt werden.
Im Jahr 2019 stellte er einen Förderantrag, um seine Weiden wolfsabweisend einzäunen zu lassen. Die Kosten überstiegen die Fördersumme jedoch deutlich. Dank des Einsatzes von Freiwilligen (Wikiwolves), die ihn mit 700 Arbeitsstunden beim Bau von 14 km Zaun in schwierigem Gelände unterstützten, konnte er auch dieses Vorhaben realisieren. Das Freihalten der Zäune von Bewuchs und die Arbeit mit den Herdenschutzhunden erfordern jedoch täglich einen hohen Aufwand und persönlichen Einsatz. Sein Fazit: "Ein gut erzogenes Wolfsrudel ist der beste Herdenschutz". Zäune und Herdenschutzhunde leisten dazu ihren Beitrag.
Dynamisches Interaktionsverhalten zwischen Wölfen und Rotwild sowie Wölfen und Weidetieren
Dr. Frank-Uwe Michler (HNE Eberswalde) gab einen Einblick in die Interaktionen zwischen Wölfen und Rotwild (Glücksburger Heide) sowie Wölfen und Weidetieren (Oranienbaumer Heide) sowie in das Raumverhalten von Wölfen. Im Rahmen der vorgestellten Studien wurden bisher 7 Wölfe, 53 Rothirsche und 32 Weidetiere mit GPS-Halsbandsendern ausgestattet.
Nachdem sich 2013 eine Wolfsfähe in den strukturreichen Offenlandbiotopen der Oranienbaumer Heide etabliert hatte, kam es 2015 und 2016 zu ersten Übergriffen auf Konikfohlen. Als Managementmaßnahme wurden daraufhin tragende Stuten und Stuten mit Fohlen auf andere Weideflächen außerhalb des Wolfsgebietes umgesiedelt. Die von Heckrindern genutzten Weiden werden regelmäßig von Wölfen durchstreift, wobei sich die Tiere gegenseitig unauffällig registrieren.
Die Untersuchungen zum Interaktionsverhalten von Wolf und Rotwild ergaben keine Hinweise auf eine Verschiebung des Streifgebietes des Rotwildes durch die Anwesenheit von Wölfen.
Raumnutzungsanalyse gibt Aufschluss über etablierte Streifgebiete, Rudelabgrenzungen und Abwanderungen
Durch die Besenderung konnte die Größe der Streifgebiete der 7 Wölfe bestimmt werden. Die dokumentierten Wanderbewegungen während der ersten Exkursionen und der Etablierungsphase zeigten die enorme Laufleistung der Wölfe. Während der Abwanderungsphasen wurden Maximaldistanzen von bis zu 97 Kilometern pro 24 Stunden dokumentiert. Fast alle besenderten Wölfe durchliefen eine mehr oder weniger lange und großräumige "Floater"-Phase, in der sie zwangsläufig mit einer Vielzahl von Territorien in Kontakt kamen.
So lernen die Jährlinge die Umgebung, die Nachbarreviere und auch die Sozialstrukturen in den anderen Revieren kennen. Intraspezifische Verletzungen traten kaum auf. Eine besenderte Fähe durchstreifte in einem Zeitraum von 4 Monaten eine Fläche von 5.802 Quadratkilometern. Dabei hielt sie sich in 20 familienfremden Territorien auf. Das bedeutet, dass sich bei ausreichendem Nahrungsangebot familienfremde Wölfe durchaus über einen längeren Zeitraum in einem fremden Territorium aufhalten können.
Wechselwirkungen zwischen Wild- und Weidetieren und Wölfen sind komplex
Prof. Dr. Marco Heurich (Universität Freiburg) zeigte in seinem Vortrag mögliche Konfliktfelder mit dem Wolf auf. Wesentlich im Umgang mit Beutegreifern ist die Bearbeitung des Konfliktfeldes Nutztierhaltung. Grundsätzlich selektieren Wölfe Wildtiere. Wenn Nutztiere jedoch leichter zu erbeuten sind als Wildtiere oder die Wildtierpopulation drastisch zurückgeht, kann sich das Bild umkehren. Dazu müssen die Faktoren verstanden werden, die Nutztiere "attraktiv" machen. Fehlender Herdenschutz ist dabei der Schlüsselfaktor.
Zwischen Schutz, Herdenschutz und Abschuss ist ein pragmatischer Ansatz gefragt
Diese Schlussfolgerung unterstrich auch der Wildbiologe Paolo Molinari (u. a. KORA). Anhand des Dreiländerecks Slowenien/Italien/Österreich konnte er zeigen, wie wichtig Präventionsmaßnahmen sind. Konflikte gebe es vor allem in Österreich, wo im Ver gleich zu Slowenien und Italien wenig Präventionsmaßnahmen umgesetzt würden. Nachdem in Slowenien seit 2010 intensiv mit den Tierhaltern gearbeitet wurde, gingen dort die Übergriffe auf Nutztiere drastisch zurück. Nicht der Abschuss von Wölfen, sondern der Herdenschutz hat zu einer konfliktarmen Koexistenz geführt. Ein unselektiver Abschuss von Wölfen kann das Auftreten von Nutztierrissen sogar er höhen. Auch der selektive Abschuss von Wölfen ist keine einfache Lösung, da Wölfe schwer zu identifizieren sind und weite Strecken zurücklegen.
Herausforderungen annehmen. Unbürokratische Hilfe leisten.
Am Ende waren sich alle einig: Einfache Lösungen für ein so komplexes Thema gibt es nicht. Aber die Herausforderungen müssen angenommen und die Weidetierhalter da bei bestmöglich und unbürokratisch unterstützt werden. Die Wissenschaft kann in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise geben.
Hier gibt es einen ausführlichen Bericht des ÖJV zum Seminar
Von Katrin Kunz