Wald-vor-Wild-Preis 2024 für die Eigenbewirtschaftung Hausham 2

Rede von Uwe Köberlein, Vorsitzender des Ökologischen Jagdverein Bayern e. V.

 

Seit 2010 verleiht der ÖJV Bayern den sog. „Wald-vor-Wild Preis“. Der erste ging an den streitbaren Waldbauern Georg Hinterstoißer, der für die Durchsetzung seiner Rechte, auch gegen seine Jagdgenossenschaft ,bis vor den Bundesgerichtshof zog. Dann folgte als Preisträger die Gemeinde Hausen in Unterfranken, darauf die Städte Bamberg, München und Fürth. Heute sind wir nach langer Zeit wieder in einer Jagdgenossenschaft, also im Privatwald mit vielen Jagdgenossen.

Die Preisträger sind Leuchttürme in einer Zeit, in der es nicht einfach ist, den Wald gegen zu hohe Wildbestände wachsen zu lassen. Widerstände gibt es genügend und von daher sind solche Beispiele eben nicht das Normale. Wer den Wald-vor-Wild Preis des ÖJV Bayern erhält, musste sich durchkämpfen.

Als wir 2010 den ersten „Wald-vor-Wild Preis“ vergaben, geschah dies natürlich nicht aus Jux und Tollerei. Der ÖJV Bayern wollte ein Zeichen setzen, für den Wald und die Jagd im Wald. Aber darüber hinaus war es den damaligen Verantwortlichen wichtig, diesen Grundsatz hochzuhalten und nicht verwässern zu lassen. 

 

Gerade heutzutage wird uns – leider – immer wieder vor Augen geführt, wie wichtig klimastabile Wälder sind:

Der Klimawandel, der uns alle und in vielen Bereichen betrifft, fordert den Waldbau mit der Büchse heraus. Wir haben ja neben den Stürmen und Orkanen nach Jahrhundertsommern mit dem Starkregen eine ganz neue Seite des Klimawandels zu spüren bekommen. In Mittelfranken, wo ich herkomme, brechen nach den Fichten nun auch die Kiefern zusammen. In Bezug auf Niederschlag ist das Voralpenland noch gesegnet, aber die Erwärmung macht sich auch hier bemerkbar. Neben den Stürmen bilden die Borkenkäfer eine zentrale Bedrohung unserer Wälder. Die massenweise Vermehrung des Borkenkäfers und der Ausfall des Brotbaumes Fichte, vor allem in den trockenen Regionen oder in Bereichen mit sehr lange ausbleibendem Niederschlag, verweist auf die Notwendigkeit des Waldumbaus. Denken Sie nur an die Bilder aus dem Frankenwald. Es ist keine Frage, dass der gemischte Wald den Klima- und Umweltproblemen am besten standhält. Und es ist keine Frage, dass dabei Tanne und Buchen und bei uns in Mittelfranken. die Eiche eine zentrale Rolle spielen müssen.

 

Ein gemischter Wald aber fällt nicht vom Himmel. Er stellt sich schon allein deshalb nicht automatisch ein, weil das Schalenwild, Hirsche, Rehe, Gämsen, Damwild und andere Schalenwildarten mit zunehmender Wilddichte durch Verbiss, Schälen und Fegen diesen Waldaufbau beeinträchtigen oder gar verhindern. Die Folgen zu hoher Schalenwildbestände sind entmischte Wälder mit Tendenzen zu Monokulturen, geringere Diversität und dadurch geringerer Stabilität; damit verbunden sind zudem höhere ökonomische Kosten durch künstliche Pflanzung, kostenintensive Zäunungen oder andere Schutzmaßnahmen. 

 

Daraus ergibt sich, dass der Umgang mit dem Schalenwild, d.h. die Herstellung angepasster Schalenwildbestände, der Schlüssel zum Waldumbau ist. Und weil dies so grundlegend ist, hat der Bayerische Gesetzgeber den Grundsatz „Wald vor Wild“ in das Wald- und Jagdgesetz aufgenommen.

Wenn wir den Wald-vor-Wild Preis verleihen, haben wir damit direkt und ohne Abstriche das bayerische Wald- und Jagdgesetz hinter uns. Und damit ist konkret die Forderung verbunden: Schalenwild so zu bejagen, dass sich die Wälder ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen verjüngen können.

 

Da liegt der Schwerpunkt ökologischer Jagd: Im Aufbau naturgemäßer, gemischter Wälder, in denen Nutzung und Schutz Hand in Hand gehen. Dass diese Wälder ökologisch reichhaltiger sind als Fichtenmonokulturen liegt auf der Hand, dass sie stabiler sind, weiß inzwischen jeder. Und dass sie schlussendlich ökonomischer sind als zusammengebrochene Fichtenwälder, ist selbst für Außenstehende nicht zu übersehen. Da werden verschiedene Ebenen gesehen, die im 21. Jhd. angesichts der Erderwärmung ineinander gehen müssen. Dieses Ineinandergehen von Ökologie und Ökonomie wurde hier in Hausham vorbildlich erfüllt. Und aus diesem Grunde wird der Eigenbewirtschaftung Hausham 2 vom ÖJV Bayern der „Wald-vor-Wild Preis 2024“ verliehen.

 

Der Slogan Wald-vor-Wild wird heftig und häufig angegriffen und mit allerlei Pseudoargumenten diskreditiert. Lassen Sie mich deswegen nochmals kurz auf diesen Grundsatz eingehen:

Wald vor Wild“, es gibt alle möglichen Varianten zu diesen drei Worten. Für uns, für alle, die der Realität nicht ausweichen, ist es völlig unstrittig, dass diese Reihenfolge alternativlos ist. 

 „Wald vor Wild“ heißt nicht „Wald ohne Wild“ wie das immer wieder kolportiert wird. Rein ökologisch gesehen ist es unstrittig, dass Lebewesen ihren Lebensraum mitgestalten, aber ebenso unstrittig ist es, dass es ohne Lebensraum nicht geht.

 Wald-vor-Wild – ist eine Zuordnung, die der Nahrungspyramide nachempfunden ist: Es gibt einfach keine Pflanzenfresser ohne Pflanzen und keine Prädatoren ohne Beutetiere. Wald-vor-Wild trifft den Nagel auf den Kopf. 

„Wald-vor-Wild“ heißt für uns, dass es selbstverständlich Wild gibt. Die sachlich und logisch falsche Interpretation, „Wald-vor-Wild“ sei ein „Wald ohne Wild“, wurde in dieser Entstellung von uns nie vertreten. Es geht um angepasste Wildbestände, so dass der Wald ohne Schutzmaßnahmen wachsen kann. „Wald-vor-Wild“ ist aber auch ökologisch völlig sachgerecht: Das Biotop bestimmt die darauf lebenden Lebewesen, nicht umgekehrt. Jegliches Biotop, im Konkreten der Wald, kann auf das Schalenwild verzichten, das Schalenwild aber nicht auf sein Biotop, im konkreten Fall auf den Wald. Die Nahrungspyramide geht von den Pflanzen aus. Und von den Pflanzen sind die Tiere abhängig, nicht umgekehrt. Die Pflanzen kommen „vor“ dem Tier, der Wald „vor“ dem „Wild“. Und daran ändert sich auch nichts, wenn es Wechselwirkungen zwischen den Pflanzen und den Tieren gibt, die ins Gleichgewicht, oder besser ins Fließgleichgewicht gebracht werden sollen

 Man kann sich fragen, woher die starke Animosität gegen diese Gesetzesgrundlage kommt. Sicher sind die Antworten allen hier Anwesenden bekannt. Angefangen vom Trophäenkult, bei dem Tiere und nicht der Lebensraum im Vordergrund steht, bis hin zum fehlenden handwerklichen Können. Jagen in Wäldern mit angepassten Schalenwildbeständen muss man nämlich können.

 

So komme ich nun zu den Preisträgern des diesjährigen Wald vor Wild Preises:

1995 traf die Jagdgenossenschaft Hausham die Entscheidung, einen ihrer Jagdbögen nicht mehr zu verpachten, sondern in Eigenregie zu bewirtschaften. Die Gründe waren die gleichen, wie sie in sehr vielen Fällen in die Eigenbewirtschaftung führen:

Ich zitiere hier aus einem Zeitungsartikel über die Eigenbewirtschaftung Hausham im Münchner Merkur von 2015:

„Aufgrund des jahrzehntelang massiv überhöhten Rehwildbestands konnten wir damals nur die Fichte hochbringen. Und selbst dies ging meistens nur über die Pflanzung und Einzäunung zum Schutz vor der nachhaltig extremen Verbissbelastung“.

„Wir haben im Frühjahr auf unseren Wiesen bei der ersten Mahd manchmal über 10 Rehkitze auf unseren Wiesen totgemäht, weil die vielen Geißen ihre Kitze aufgrund fehlender Dickungen im Wald nicht verstecken konnten. Damals konnte man im Wald auf 80 Meter einen Schwammerl sehen, so ausgefressen war alles von den Rehen“.

 

Wie kam nun der Erfolg der Eigenbewirtschaftung Hausham 2 zustande?

Alleine ist so ein Modell zum Scheitern verurteilt. Mithilfe von aktuell elf engagierten Pirschbezirklern, einen davon lernten wir heute schon kennen, gelang es dem angestellten Jäger Peter Lechner auf einer Fläche von insgesamt 1212 ha, verteilt auf zwei Jagdbögen, dass die flächige Sicherung der Naturverjüngung von Tanne und der weiteren Mischbaumarten gelang.

 

Die Jagdgenossenschaft hat als Pionier mit der Eigenbewirtschaftung eine Bewirtschaftungsform gewählt, die damals noch neu war. Und es ist eine Bewirtschaftungsform, wo man eine Vielzahl von Jagdgenossen immer wieder zusammenhalten muss. Und das ist – ohne, dass ich im Einzelnen die Höhen und Tiefen kenne – im Großen und Ganzen gelungen.

Mit einem versöhnlichen Fazit, ebenfalls aus dem Münchner Merkur von 2015 möchte ich enden:

Der damaligen Jagdvorsteher Atzl sagte:

Wenn die Jagdgenossen, die Jagdvorstandschaft, die Jäger, die Forst- und v.a. auch die Jagdbehörde alle an einem Strang ziehen, dann können Waldbilder, wie wir sie heute gesehen haben, relativ schnell verwirklicht werden“. 

Wie wahr dieser Satz doch auch im September 2024 ist.

 

Dir, lieber Peter und der Eigenbewirtschaftung Hausham 2, zusammen mit von Dir geleiteten Team ist hier etwas gelungen, was in vielen Teilen Bayern oftmals nicht gelingt. Der Wald wächst, entwickelt und verjüngt sich selbst inmitten der Klimakrise. Dafür unser herzlicher Dank, stellvertretend für die Gesellschaft, die solche Wälder braucht, stellvertretend für die Jägerschaft, deren Zukunft meines Erachtens nur darin liegen kann, bei ihrem Jagen einen weiten Blick auf das Ganze als Richtschnur zu nehmen.