Ausnahmegenehmigungen für das Fangen und Töten von Fischottern an Teichanlagen in der Oberpfalz aufgehoben
Regensburg, 27. August 2021 – Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg hat mit Urteilen vom
24. August 2021 den Klagen von zwei Naturschutzverbänden stattgegeben und artenschutzrechtliche
Ausnahmegenehmigungen aufgehoben, die die Regierung der Oberpfalz für das Fangen von Fischottern
und das Töten männlicher Exemplare an Teichanlagen in der Oberpfalz erteilt hatte.
Am 27. August 2021 begründete der Vorsitzende der 4. Kammer, Dr. Andreas Fischer, im Rahmen eines
Verkündungstermins die Gerichtsentscheidungen insbesondere damit, dass in die genehmigten Fallen auch weibliche Fischotter und Jungtiere gelangen würden und damit auch der Verbotstatbestand des Fangens weiblicher Tiere und von Jungtieren betroffen sei. Die Behörde habe sich in ihren Bescheiden jedoch nicht mit der damit verbundenen Problematik auseinandergesetzt. Außerdem seien die genehmigten punktuellen Maßnahmen schon ihrem Wesen nach nicht geeignet, fischereiwirtschaftliche
Schäden abzuwenden, da in relativ kurzer Zeit ein gebietsfremder Fischotter den Platz eines entnommenen Tieres wiederbesetzen werde. Schließlich habe die Regierung der Oberpfalz keine Fauna-Flora-Habitat (FFH) – Verträglichkeitsprüfung durchgeführt, obwohl die sogenannte Vorprüfung nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele in den betroffenen FFH-Gebieten ausgeschlossen habe.
Die Regierung der Oberpfalz hatte im März 2020 für insgesamt drei Standorte von Teichanlagen
(Lodermühle im Landkreis Tirschenreuth, Stamsried im Landkreis Cham und Plechhammer im Landkreis
Schwandorf) jeweils eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme von bis zu zwei männlichen Fischottern
durch einen Jäger mittels Lebendfalle und zu ihrer anschließenden Tötung erteilt.
Gegen jede der drei Ausnahmegenehmigungen hatten sowohl der Bund Naturschutz in Bayern e.V. wie auch die Aktion Fischotterschutz e.V. Klagen gegen den Freistaat Bayern erhoben.
Zum Hintergrund: Naturschutzrechtlich ist es verboten, wild lebenden Tieren einer besonders geschützten Art – wie dem Fischotter – nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Im Einzelfall kann die zuständige Behörde eine Ausnahme von diesem Verbot zulassen, insbesondere zur Abwendung ernster fischerei- oder sonstiger wirtschaftlicher Schäden.
Gegen die Urteile vom 24. August 2021 (Aktenzeichen RO 4 K 20.639, RO 4 K 20.642, RO 4 K 20.643, RO
4 K 20.967, RO 4 K 20.968, RO 4 K 20.969) kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen
Urteilsgründe die Zulassung der Berufung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragt werden.
Der BUND Naturschutz in Bayern freut sich über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg, dass die „Entnahme“ von Fischottern an Fischzuchtteichen verboten wird. „Wir sind sehr froh über diese Entscheidung für den Fischotter! Vom Landwirtschaftsministerium erwarten wir nun, dass wieder konstruktiv an wirklich wirksamen Lösungen für die Teichwirte und einer naturnahen Teichwirtschaft mit dem Otter gearbeitet wird“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BN. „Die Tötung von Fischottern ist weder rechtlich zulässig noch eine Lösung für die Teichwirte und mit dem heutigen Urteil hoffentlich endgültig vom Tisch. Das Urteil ist auch eine Ohrfeige für Abgeordnete von CSU und FW im bayerischen Landtag, die die Tötung politisch beschlossen hatten. Wir hoffen, dass damit auch grundsätzlich Forderungen nach dem Abschuss von Tierarten, die zum Sündenbock für grundlegende Probleme gestempelt werden, ein Ende haben.“
Der BN bekennt sich klar zur Teichwirtschaft und fordert aufgrund der vielfältigen Probleme der bayerischen Teichbesitzer bereits seit vielen Jahren ein „Existenzsicherungsprogramm“, das heißt eine bessere finanzielle Grundförderung für eine naturnahe Teichwirtschaft mit hohem Artenreichtum und die Einführung eines Fischotter-Bonus-Modells bei Entschädigungen. Aufgrund des Landtagsbeschlusses von 2018 für die Tötung von Fischottern wurde dies von den bayerischen Landwirtschaftsbehörden jedoch bisher nicht aufgegriffen. Auch die bereits bestehenden Fördermöglichkeiten für eine extensive Teichwirtschaft werden nur auf einem sehr geringen Teil der Teichfläche genutzt.
Der BN lehnt die Tötung auch von nur zwei Ottern pro Teichgebiet ab, weil kein klarer Nachweis der Zuordnung von Verlusten durch den Fischotter vorlag, weil die Verletzungsgefahr für Weibchen in den Fallen extrem hoch ist, und weil binnen weniger Wochen die nächsten Otter nachrücken würden - d.h. die Tötung von zwei Ottern für die Teichwirte kaum eine Wirkung hätte und damit der Einstieg in den dauerhaften Abschuss sein könnte. Diese Argumente wurden heute auch vom Gericht so bestätigt.
Christine Margraf, stellvertretende Landesbeauftragte des BN unterstreicht: „Der Fischotter war früher in ganz Bayern verbreitet und wurde durch Bejagung und Verschlechterung der Wasserqualität fast ausgerottet. Ausgehend vom Grenzgebiet zu Tschechien breitet er sich in Bayern seit einigen Jahren wieder aus, ist aber immer noch eine im Bestand gefährdete und streng geschützte Tierart und hat weite Teile Bayerns noch nicht wieder besiedelt. Der Ausbreitung in Bayern kommt eine besondere Bedeutung zu, um die Lücke zwischen den Beständen in Ost-Europa sowie Frankreich und Spanien zu schließen.“
Hintergrund: Die Regierung der Oberpfalz hat mit Bescheiden vom 16.03.2020 die "Entnahme" von maximal 2 Fischotter-Männchen an je drei Teichgebieten in der Oberpfalz (Lkr. Cham, Schwandorf, Tirschenreuth) innerhalb eines Jahres genehmigt - als Fallenfang mit anschließender Tötung. Weibchen sollten wieder frei gelassen werden. Die Tötung ist im Fischotter-Managementplan (2013) nicht enthalten, dieser beruht auf drei Säulen (Beratung, Prävention, freiwillige Ausgleichszahlungen) und wurde so vom BN auch mitgetragen. Der Bayerische Landtag hat die Tötung aber im April 2018 als „4. Säule“ auf Antrag der CSU ad hoc beschlossen, der Vollzug wurde an die Regierung der Oberpfalz delegiert. Der BN hat am 20.04.2020 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg Klage gegen die drei Bescheide der Regierung der Oberpfalz eingereicht. Die mündliche Verhandlung fand aufgrund der Corona-Beschränkungen erst am 24.08.21 statt.
In Bayern gibt es etwa 10.000 Fischwirtschaftsbetriebe. Davon betreiben nur 200 die Fischerei als Haupterwerb, alle anderen werden im Nebenerwerb geführt. (https://www.stmelf.bayern.de/landwirtschaft/tier/000858/)