24.11.2021
Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 – trotz drängender Klimakrise eher Verschlechterung!
Forstministerin Michaela Kaniber hat die Ergebnisse des Forstlichen Gutachtens zur Situation der Waldverjüngung 2021 vorgestellt.
Insgesamt eine Verschlechterung
Das neue Gutachten 2021 zeigt gegenüber dem von 2018 ein ernüchterndes Ergebnis: In nunmehr der Hälfte der Hegegemeinschaften (50 %) wird die Verbisssituation als zu hoch oder gar deutlich zu
hoch bewertet (2018 47%). Die Hegeringe mit einer günstigen Verbisssituation sind auf 3% gesunken (2018 4 %). Dieses Ergebnis zeigt, dass zu vielen Revierinhaber der Waldzustand in der Klimakrise
relativ egal ist.
Leichte Verbesserung im Bergwald
Obwohl es im Bergwald gegenüber 2018 leichte Verbesserungen beim Edellaubholz gibt, ist „die Verbissbelastung angesichts der langen Verjüngungszeiträume im Bergwald trotzdem noch zu hoch“
(Forstliches Gutachten 2021). Der Bergwald hat wichtige Schutzfunktionen, die durch die immer noch zu hohen Schalenwildbestände gefährdet sind.
Interessanterweise ist die leichte Verbesserung im vom Staatswald dominierten Bergwald trotz des Corona bedingten Freizeitdruckes gelungen, welcher in weiten Teilen Bayerns als Hinderungsgrund
für den nicht ausreichenden Abschuss ins Feld geführt wird.
Sorgenkinder Eiche, Weißtanne und Edellaubholz
Die wichtigsten klimatoleranten Baumarten sind unzweifelhaft Tanne, Eiche und das Edellaubholz. Leider werden sie besonders gerne vom Schalenwild verbissen: Tannen (11%) und Eichenverbiss
(25%) sind wie der Edellaubholzverbiss (23%) grundsätzlich noch viel zu hoch. Im Bergwald, wo die Wachstumsperiode viel kürzer ist, stagniert die Tanne bei 9% und ist damit weit unter dem in
einem Bergwald natürlichen Wert (ca. ein Drittel).
Wir bräuchten bayernweit endlich waldverträgliche Wildbestände
Dieser leicht abgewandelte Aufruf von Staatsministerin Kaniber ist mitten in der Klimakrise, die den Wäldern stark zusetzt, nur allzu verständlich. Denn klimastabile Wälder sind aufgrund ihrer
vielen Funktionen für unsere Gesellschaft immer wichtiger. Der Auf- und Umbau dieser Wälder darf durch die Jagdegoismen einer kleinen Minderheit unserer Gesellschaft (ca. 0.3% sind Jäger), nicht
weiter beeinträchtigt werden. Dr. Wolfgang Kornder fasst zusammen: „Die Schalenwildbejagung hat endlich die gesetzlich vorgegeben Ansprüche zu erfüllen, weil klimastabile Wälder für unsere
Gesellschaft systemrelevant sind.“
Ungeachtet der Systemrelevanz unserer Wälder sind die immensen Kosten für Schutzmaßnahmen nicht mehr hinzunehmen. Es ist ohnehin ein Kuriosum, dass 16,2 % aller Aufnahmeflächen schalenwildsicher
geschützt sind und deshalb für die Verbissaufnahmen nicht genutzt werden konnten, obwohl das Waldgesetz vorschreibt, dass die Verjüngung „im Wesentlichen ohne Schutzmaßahmen“ hochkommen
muss (Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayJG). Allein schon aus Kostengründen muss deshalb das „Kuscheln“ mit der mächtigen Jägerlobby aufhören, die oftmals ihrem gesetzlichen Auftrag nicht
nachkommt.
Der Ökologische Jagdverein Bayern fordert deshalb das Ministerium und die nachfolgenden Jagdbehörden auf, die Abschusszahlen für die kommenden drei Jagdjahre deutlich höher fest- und
auch durchzusetzen. Bei der Überwachung der Erfüllung der Abschussplanung muss konsequent darauf geachtet werden, dass diese Abschüsse auch tatsächlich getätigt werden. Nur so können flächig
zukunftsfähige Wälder entstehen.
Vor allem die Rehwildbejagung muss forciert werden. Aber auch die in vielen Gebieten zu hohen Rotwilddichten müssen reduziert werden. Dort, wo Rotwildgebiete mit entsprechenden Verbissschäden im
Staatswald liegen, ist mehr Engagement der Verantwortlichen nötig. Auch die Gamsbestände sind in manchen Teilbereichen zu verringern und im Gebirgswald sind die Schonzeitaufhebungen in den
Sanierungsgebieten weiter konsequent umzusetzen.
Dr. W. Kornder: „Was wir dringend brauchen sind klimastabile Wälder, nicht zu hohe Schalenwildbestände. Es kann auch nicht sein, dass darüber eine kleine gesellschaftliche Gruppe
uneinsichtiger Jäger bestimmt!“
Dr. Wolfgang Kornder
(1. Vorsitzender des ÖJV Bayern)
Wald braucht mehr Unterstützung durch Jagd
Der BUND Naturschutz in Bayern (BN) begrüßt die Veröffentlichung des faktenbasierten Forstlichen Gutachtens und die klaren Aussagen von Staatsministerin Michaela Kaniber zum zu hohen Wildverbiss
in Bayerns Wäldern. „Es ist nicht hinnehmbar, dass in Bayern in 50 Prozent der 750 Hegegemeinschaften die Verbissbelastung immer noch so hoch ist, dass gerade die Baumarten nicht natürlich
aufwachsen können, die wir in der Klimakrise dringend bräuchten“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BN.
Vor allem in Nordbayern, wo die Wälder stärker unter Hitze und Dürre leiden, ist der Verbiss besonders hoch. „Wir unterstützen den eindringlichen Appell von Forstministerin Michaela Kaniber an
Waldbesitzer*innen und Jäger*innen durch eine verstärkte Bejagung für waldverträgliche Wildbestände zu sorgen“, so Mergner. „Dazu braucht es für alle Jagdreviere spezifische Aussagen zum Verbiss
der jungen Bäumchen und die Jagdbehörden an den Landratsämtern müssen mit Unterstützung der Forstämter die Empfehlungen der Forstlichen Gutachten bei der Abschussplanung endlich konsequent
umsetzen.“ In Jagdrevieren mit dauerhaft kritischer Verbissbelastung erfordert dies einen körperlichen Nachweis und oftmals eine deutliche Abschusserhöhung. Dies gebietet auch der gesetzlich
festgeschriebene Vorrang der Wälder und seiner Gemeinwohlfunktionen vor privaten Jagdinteressen. Denn der Fortbestand der Wälder und deren unersetzlichen Gemeinwohlleistung, ob für den Klima-,
Erosions- und Trinkwasserschutz, müssen dauerhaft gesichert werden.
Behörden müssen gesetzeskonforme Waldverjüngung ermöglichen
Der jüngste Waldschadensbericht zeigt, dass es den Wäldern in Bayern schlecht geht. „Wenn der „Wald oben stirbt“, muss „unten die Waldverjüngung“ nachwachsen können“, so Mergner. Es darf nicht
sein, dass wir künftig intakte Wälder nur noch „hinter Zaun“ aufwachsen sehen“. Es ist alarmierend, dass es in über 80 Prozent der Hegegemeinschaften seit 2009 keine durchgängig tragbare
Verbissbelastung gab, die die jungen Bäumchen zum Aufwachsen brauchen.
Trotz leichter Verbesserungen: Verbissniveau im Bergwald zu hoch
„Es ist erfreulich, dass es im Bergwald gewisse Verbesserungen beim Verbiss im Vergleich zur letzten Inventur gibt“, so Hans Kornprobst,Sprecher des BN Arbeitskreises Wald. „Das ist auch dringend
notwendig, weil die kleinen Bäumchen im Gebirge länger für den Aufwuchs brauchen und länger durch den Verbiss gefährdet sind. Im Bergwald ist der Verbiss deshalb noch zu hoch.“