Interview mit Holger Riedel
Im Anhang diverse Erklärungen, Statistiken und Bilder
Herr Riedel, welche Ziele verfolgen Sie in Ihrem Revier?
Unsere Ziele haben die Jagdvorstände mit mir bei der Übernahme der Jagdpacht besprochen. Wir wollen durch gemeinsame Anstrengungen eine Forstwirtschaft ohne Zaun ermöglichen. Die langfristige
Umstrukturierung von mehrheitlich existierenden Fichtenbeständen in zukunftsfähige Mischbestände ist unser gemeinsames Ziel. Die Jagd muss hierbei straff nach rein quantitativen Abschusskriterien
organisiert werden. Letztendlich heisst dies so effektiv wie möglich das Abschusssoll zu erfüllen. Langfristg gesehen schaffe ich als Jäger dadurch auch dem Wild und vielen weiteren Tierarten
eine weitaus besseren Lebensraum mit mehr Strukturen, Äsungsflächen und Einständen, da ein Mischwald ökologisch weitaus reichhaltiger ist als eine Fichtenmonokultur. Die straffe Jagd kommt somit
langfristig dem Wild zu gute und der Aufbau eines stabilen reichhaltigen Waldes muss also unbedingt eine Zielsetzung der Jagd sein.
Gibt es Regelungen zum Wildschaden im Jagdpachtvertrag?
Ja, wir haben eine Regelung in Anlehnung an das "Rosenheimer Model". Diese Regelung ist jedoch noch nie zum Tragen gekommen. Der Wald zeigt ob die Jagd stimmt und die Naturverjüngung ohne Zaun
ist bei uns für Tanne, Ahorn und Eiche möglich geworden. Fegeschäden wird es immer geben, da auch der letzte Bock fegen wird. Wir versuchen dies in Grenzen zu halten indem wir sofort Anfang Mai
jeden Bock den wir sehen erlegen. Auch Böcke die noch nicht gefegt haben und somit diesen Schaden noch nicht verursacht haben werden erlegt. Bei jagdlichen Traditionalisten ist ein Abschuss vor
dem Fegen verpönt. Man nimmt den Fegeschaden hierbei in Kauf um eine schöne Trophäe zu haben.
Wie hoch ist der Abschuss und wie setzt er sich zusammen?
Laut Abschussplan sollen wir 11 Stück Rehwild auf 100 Ha Jagdfläche schießen. Das sind 18 Böcke, 18 Geisen, und 25 Kitze pro Jahr auf 556 Ha.
Als wir im ersten Pachtjahr keinen Abschussplan hatten, da wir bei einem
bayernweiten Versuchsprojekt „Rehjagd ohne Abschussplan“ beteiligt waren, schossen wir erheblich mehr und beendeteten das Jagdjahr 2005/2006 mit fast 15 Stück auf 100 ha. Schwankungen zu den
Vorgaben des Abschussplanes sind naturgemäß gegeben. Vor allem beim weiblichen Abschuss ist auffällig, dass wir hier weit mehr Schmalrehe und Geisen erlegen als Böcke und hier meist über den
Vorgaben des Abschussplanes liegen. In vielen Revieren herrscht noch immer die Devise keine Geisen zu schießen um den Bestand zu schonen. Dadurch haben wir in fast allen Revieren ein
Geschlechterverhältnis von 1:4-5 von Böcken zu Geisen. Dies spüren wir auch, da wir entsprechend Zuwanderer von den Nachbarrevieren haben. Eine nachhaltige Reduktion des Rehwildbestandes kann
jedoch nur erzielt werden, wenn man auch beim weiblichen Abschuss nicht zurückhaltend ist.
Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Mitjäger?
Dies ist die wohl wichtigste Frage, an der der gesamte Erfolg hängt. Jeder Jäger in meinem Revier soll ca 10 Stück Rehwild pro Jagdjahr erlegen. Im Normalfall sind die Jäger in meinem Team
Familienväter und berufstätig und können somit nur begrenzt Zeit aufwenden. 10 Rehe Abschuss pro Jäger erscheinen mir nach vielen Jagdjahren Erfahrung als durchschnittlich und erzielbar. In einem
stark bejagtem Revier wie dem unseren wird das Rehwild weit weniger sichtbar und der Jäger muss handwerklich weit mehr können als ein Jäger, der in einem überhegtem Revier mit hohem Wildbestand
jagt. Nach einigen Fehlschlägen und Enttäuschungen habe ich nun ein funktionierendes Team. Hierbei musste ich mich auch von Jägern verabschieden, die eben diese handwerklichen Fähigkeiten nicht
mitbrachten. Traditionelle Jäger, die lange Zeit in typischen gut gehegten "Trophäenrevieren" gejagt haben, sind meist nicht geeignet um unter Konditionen, wie sie bei uns herrschen, erfolgreich
zu jagen. Am geeignesten waren letztendlich Jäger, die ihre Jagdprüfung frisch beendet hatten und die ich entsprechend in der Praxis ausbilden konnte. Mein Ziel ist auch hier so effektiv wie
möglich den Abschuss zu erfüllen. Der liebste Jäger hierbei ist mir der jenige, der mit den wenigsten Ansitzen so viel Rehe wie möglich erlegt. Dadurch ist das Revier den geringsten Störungen
ausgesetzt.
Wie schaffen Sie es den Abschuss zu erfüllen? Wie haben Sie den
Jagdbetrieb organisiert?
Der Abschuss kann nur durch ein gut funktionierendes Team erfüllt werden. Ein Einzelner wäre hier völlig überfordert. Der Mitjäger darf hierbei nicht, wie es leider in vielen anderen Revieren der
Fall ist, gebremst werden. Ich wünsche mir ein Team, das an einem gemeinsamen Ziel mitwirkt, ohne dass ich zu viel Einfluss nehmen muss. Unser gemeinsames Ziel ist die Abschusserfüllung und die
Erledigung der damit verbundenen Arbeiten.
Ich habe mein Revier wie eine Art Jagdverein organisiert. Wir teilen die Kosten durch die Anzahl der Begehungsscheininhaber und Pächter (2 Pächter, 4 Begehungsscheine) und jeder Jäger behält die
von ihm erlegten Rehe. Jeder kann schießen, was er möchte und keiner hat irgendwelche Sonderrechte. Der fleißigste Jäger hat somit die höchsten Einnahmen durch die Wildpretvermarktung.
Die Arbeiten wie Hochsitzbau werden gemeinsam an zwei Tagen im Frühjahr erledigt. Jeder bringt sich hier etwa zu gleichen Teilen ein und jeder fühlt sich dadurch auch wie ein selbstständiger
Pächter. Entscheidungen werden durch Abstimmung getroffen.
Jeder moderne Industriebetrieb setzt auf Eigenverantwortung und selbständiges Handeln. Im traditionellen Jagdbetrieb sind wir noch strikt hierarchisch ausgerichtet mit dem Pächter als
unantastbaren Herrscher. Das kann niemals zu einer effektiven Jagd bei limitierter Zeit führen.
Der Abschuss erfolgt durch Intervalljagd. Wir haben über mehrere Jahre die
Abschuszahlen beobachtet und klare Trends herausgearbeitet. Der
Bockabschuss und der Abschuss von Schmalrehen sind im Mai am einfachsten und sollte hier so weit wie möglich erfüllt werden. Jeder Bock und jedes Schmalreh, das in dieser Zeit sichtig wird, wird
erlegt. Die Monate Juni, Juli und August können als „familienfreundliche Zeit“ verbucht werden und die Abschsszahlen halten sich hier meist in Grenzen. Der September ist für uns wiederum ein sehr
wichtiger Monat, da hier die Mehrzahl der Kitze mit wenig Aufwand erlegt wird. Oftmals höre ich von anderen Jagdpächtern, die Kitze seien hier noch nicht schwer genug. Falls man hier aber zu
lange wartet, wird es im nassen Oktober und November weit schwieriger Erfolg zu haben. Und wenn es mir auf das Wildpretgewicht ankommt, schieße ich einfach ein Kitz mehr und ich habe das
Mindergewicht von 5 Kitzen wett gemacht. Ein weiteres entscheidendes Zeitfenster ist für uns der Schneefall. Bei Frost und Schnee können wir den verbleibenden Abschuss an der Kirrung erfüllen.
Wir richten unsere jagdliche Zeitplanung völlig an diesen zeitlichen Schwerpunkten aus, um
auch hier wieder effektiv und zeitsparend den nötigen Erfolg zu erzielen. Durch die Intervalljagd wird dem Revier auch immer wieder Ruhe gegönnt und das verbleibende Rehwild wird wieder
vertrauter.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass wir mit jeglicher Tradition brechen, die dem eingangs erwähnten Ziel des Waldumbaues zuwieder läuft. Trophäenkult und Fütterungen sind hierbei natürlich
völlig kontraproduktiv.
Resüme nach 4 Jahren Revierpacht Rampoldstetten Süd?
Es macht allen Beteiligten noch immer viel Spaß. Ich jage nun seit fast 20 Jahren in verschiedensten Revieren und habe nie eine bessere Zusammenarbeit zwischen Pächtern, Jägern und Jagdgenossen
gesehen. Die Zusammenarbeit wird von Fairness und Verständnis von allen Beteiligten getragen. Wir sind letztes Jahr mit je 100% für Fläche und Anzahl der Stimmberechtigeten gewählt worden. Unsere
Anstrengungen werden auch durch einen sehr niedrigen Pachtpreis belohnt. Die Waldbauern erkennen unser Tun hierdurch als eine Dienstleistung am Wald an. Hohe Pacht und hohen Abschuss kann man
nicht zusammen haben. Das wäre auch ein Tipp an andere Jagdgenossenschaften, die etwas verändern wollen. Man sollte sich die Jäger nach anderen Kriterien als der Höhe der zu zahlenden Pacht
zusammenstellen.
Am besten gefällt mir, dass unser System Schule macht und wir ein Beispiel
liefern können, das Jagd und Waldwirtschaft ohne Probleme Hand in Hand
gehen können, wenn alle Seiten ihren Beitrag leisten.
Eingesandt von Holger Riedel