Ulrich Wotschikowsky ist am 30.August 2019 nach langer schwerer Krankheit mit 79 Jahren verstorben. Naturschutz und die Wildbiologie verlieren mit ihm einen herausragenden
Fachmann von hohem internationalem Rang.
Dem Ökologischen Jagdverein wird er als außerordentlich kompetenter Ratgeber, rhetorisch glänzender, wortgewaltiger Referent fehlen. Unseren Verein hat er von der Gründung an- nicht
unkritisch- mit seiner umfassenden Sachkenntnis unterstützt.
Wotschikowsky hat an der Ludwig Maximilians Universität in München Forstwissenschaften studiert. Er arbeitete zunächst als junger Forstbeamter am Nationalpark Bayerischer Wald, zuständig für
Wildbiologie und Öffentlichkeitsarbeit und als stellvertretender Leiter des Parks. Dieser Park war damals noch Teil der Forstverwaltung. Seine ersten Untersuchungen widmete er der Raumnutzung von
Rothirschen und der Bestandsentwicklung von Rehen. Mit großem Einsatz und Geschick organisierte er die Umsiedlung von Rotwild vom Bayerischen Wald in den Nationalpark Abruzzen wo die Rothirsche
ausgerottet worden waren, die Wölfe aber überlebt hatten. Mit großem Zorn musste er beobachten wie die gerade eingebürgerten Luchse wieder aus dem Bayerischen Wald verschwanden.
Nicht ohne Selbstkritik aber stets unabhängig von einer Verwaltungsmeinung oder vom politischen Mainstream wurde es ihm in der bayerischen Forstverwaltung bald zu eng. Kurzfristig schrieb er als
Redakteur bei der Jagdzeitschrift „Jäger“ wurde aber bald zum freiberuflichen Wildbiologen. Dabei arbeitete er eng zusammen mit der Wildbiologischen Gesellschaft von München an
verschiedenen Projekten zum Schalenwildmanagement.
Von 1983 bis 1992 leitete er die Jägerschule in Hahnebaum in Südtirol mit einem Forschungsschwerpunkt über die Rehe. Dabei entwickelte er hervorragende didaktische Unterlagen und
veröffentlichte wichtige Forschungsergebnisse zu dem Thema.
Den Schwerpunkt seiner Arbeit bis zum Ende seines Lebens widmete er den großen Raubtieren, vor allem den Wölfen, für die er mit großem persönlichen Einsatz warb. Wolfsforschung betrieb er an der
Seite des kanadischen Wolfsforschers Bob Hayes dessen Buch „Wolfes of the Yukon“ er ins Deutsche übersetzte (Wikipedia). Als Mitglied der „Large Carnivore Initiative for Europe“ (LCIE)
setzte er sich für den Schutz der 5 großen Beutegreifer Europäischer und Iberischer Luchs, Wolf, Bär und Vielfraß ein.
Am Ende war er ein führender, international anerkannter Experte in diesem Bereich.
Den Ökologischen Jagdverein begleitete er von der Gründung an mit sachkundigem Rat aber nicht unkritisch. Irritiert haben ihn vor allem unprofessionelle Aussagen zu wildbiologischen Themen. Auch
wollte er stets den totalen Bruch mit anderen Organisationen der Jägerschaft vermeiden. Bis zuletzt hat er uns aber mit Vorträgen bei Seminaren oder Veröffentlichung von Broschüren wie zum
Gamswild und Ratschlägen zu verschiedenen Themen unterstützt. Sehr stark beeinflusst hat uns seine Meinung zur Zukunft von Luchs und Wolf in Deutschland.
Dem Verfasser dieses Nachrufs bleibt „Wotsch“ unvergessen seit wir mit unseren Hunden ein Zimmer im zweiten Stock der Nationalparkverwaltung in Grafenau im Bayerischen Wald teilten. Seitdem
unterhielten wir mit großer persönlicher Sympathie einen ununterbrochenen fachlichen und persönlichen Dialog.
Dr. Klaus Thiele
Von Eckhard Fuhr (Copyright: Die Welt)
Ein persönliches Wort zu Beginn: Ohne Ulrich Wotschikowsky wäre mein Leben anders verlaufen. Ich traf ihn zum ersten Mal vor ziemlich genau 25 Jahren bei den Recherchen zu meinem ersten Artikel
über die Rückkehr der Wölfe in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Seitdem war das Gespräch nie abgerissen. Aus einem professionellen Kontakt wurde Freundschaft. Wir haben zusammen gejagt, vor
allem aber haben wir über die Jagd, über Wildtiere, über Naturkonzepte in unserer Gesellschaft gesprochen. Mir als Kulturjournalisten öffnete das ganz neue Perspektiven. Ohne „Wotsch“, so nannten
ihn seine Freunde, wären Jagd, Wildtiere und insbesondere die Wölfe nie zu den Lebensthemen geworden, die sie längst sind. Wenige Tage vor seinem Tod besuchte ich Ulrich Wotschikowsky noch einmal
im Klinikum in Garmisch. Vom Tod gezeichnet war er völlig gelassen und frohen Mutes. Ein Leben ohne Wildtiere, sagte er einmal, wäre armselig. „Wotsch“ hat ein reiches Leben geführt, bis zur
letzten Minute.
Geboren wurde er 1940 in der Nähe von Cottbus, also dort, wo 60 Jahre später die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland begann. Als Kind kam er mit seinen Eltern nach Bayern. Die Bergwelt
Hohenschwangaus prägte seinen Blick auf die Natur. Doch in dem Waldläufer schlummerte auch ein Künstler. Wotsch spielte die Geige mehr als amateurhaft. Am Ende behielt der Naturmensch aber doch
die Oberhand über den Musiker. Nach einem Studium der Forstwissenschaften, das ihn auch in die nordischen Wälder Schwedens führte, trat er in den bayerischen Forstdienst ein und wurde 1973
stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald. Er war allerdings nicht der Typ für eine Karriere im Öffentlichen Dienst und beharrte im Streit über die Entwicklung des Parks auf
seiner Position, dass Naturschutz unbedingt Vorrang vor touristischen Überlegungen haben müsse. 1978 schied er aus dem Staatsdienst aus, arbeitete als Redakteur bei einer Jagdzeitschrift und seit
den Achtzigerjahren als Wildbiologe, zunächst als Mitglied der Wildbiologischen Gesellschaft München e.V., schließlich ganz freiberuflich. Heute sind freiberufliche Wildbiologen, sind
wildbiologische Beratungsbüros nichts Besonderes mehr. Wotschikowsky war in Deutschland einer der Pioniere dieses Berufszweiges.
Die Nachfrage nach wildbiologischer Expertise schnellte mit der Rückkehr der großen Beutegreifer Wolf, Luchs und Bär in die Höhe. Managementpläne mussten geschrieben, Naturschutz- und
Jagdbehörden beraten werden. Wotschikowsky, der auch im kanadischen Yukon über Wölfe und ihre Beutetiere forschte, erwarb sich den Ruf eines führenden Experten auf diesem Gebiet. Die
Wolfsmanagementpläne der deutschen Bundesländer tragen seine Handschrift. Ulrich Wotschikowsky hinterlässt eine große Lücke, er hat aber auch den Boden dafür bereitet, dass auch in Deutschland
das Wildtiermanagement heute auf einer breiten professionellen Basis ruht. Ulrich Wotschikowsky starb am 30. August 2019 nach schwerer Krankheit.