Das Wetter meinte es nicht unbedingt gut mit uns. Zwar hielt es noch beim Treffen auf dem Parkplatz in Frammersbach, aber bereits beim Hinausfahren zur Exkursion regnete es in Strömen. Mit diesem Wechsel mussten wir im Wald auskommen.
Bei der Exkursion erläuterten der stellvertretende Betriebsleiter Andreas Füller und Jochen Raue abwechselnd die Situation des Betriebes und des Reviers und ergänzten sich gegenseitig.
Jochen Raue hatte zwei Exkursionspunkte ausgesucht, einmal Verjüngung gepflanzt, einmal als Naturverjüngung. Beim Naturverjüngungspunkt kam in der aufgelichteten Fläche die Tanne ganz üppig, dazu viel Buche, aber auch andere Baumarten, wie Fichte und vereinzelt Eiche. Am gepflanzten Tannen-Exkursionspunkt war die Verjüngung schon wesentlich höher, teils deutlich aus dem Äser, vielleicht noch gefährdet durch das Schälen.
Jochen Raue war der Meinung, dass bei der vielfältigen und reichhaltigen Verjüngung in weiten Teilen seines Revieres das Schalenwild gar nicht mehr hinterherkommt, alles aufzufressen. Dem kann man zustimmen. Man muss aber den Ausgangspunkt ganz klar benennen: ANGEPASSTE Schalenwildbestände von Reh- und Rotwild. Dabei werden jährlich ca. 7 Rehe auf 100 ha und 1-2 Stück Rotwild im Gesamtrevier mit ca. 1700 ha erlegt. Wenn man weiß, welche Schalenwilddichten in vielen Spessartrevieren vorherrschen, auch bei der BaySF, dann kann man das nicht hoch genug einschätzen. Die Schalenwildbestände waren bereits bei seinem Vorgänger, Reinhard Stinzing, der später bei der Preisverleihung in der Bayerischen Schanz ebenfalls dazu kam, waldfreundlich reduziert. Das waren sicher gute Startbedingungen.
Die Feier in der Bayerischen Schanz wurde von der ehemaligen Parforcehornbläsergruppe der LMU-München, einem versierten Quartett musikalischer Forstleute, stimmungsvoll und passend umrahmt. Es war ein Genuss, diesem Quartett zu lauschen.
Nach der Begrüßung der ca. 45 Teilnehmer:innen, Begehungsscheininhaber:innen, ÖJV-Mitglieder, Verbandsvertreter (BN, LBV, ANW, BaySF-Betrieb Hammelburg, entschuldigt Bayerischer Waldbesitzerverband und der Bayerische Forstverein), durch Dr. Wolfgang Kornder, sprach der Bürgermeister von Frammersbach, Herr Christian Holzemer, ein Grußwort. Obwohl er direkt nichts mit Forst zu tun hat, hat er die Situation von Wald und Wild und der Bedeutung des Gesetzesgrundsatzes „Wald vor Wild“ überraschend klar aufgefasst und in seiner Ansprache zum Ausdruck gebracht.
Im Anschluss sprach der Jagd- und Waldreferent des Bund Naturschutzes, Dr. Ralf Straußberger. Er führte aus, wie wichtig gerade in der Klimakrise – Hinweise auf die großflächigen Kalamitäten z.B. in Oberfranken fehlten nicht – angepasste Schalenwildbestände sind. Der Jagd komme hier eine zentrale Bedeutung zu.
Forstdirektor Wolfgang Grimm, der Bereichsleiter des AELF Karlstand, hielt dann die Laudatio. Nachdem er sowohl das Revier als auch Jochen Raue seit langem bestens kennt, entstand so ein bunter Strauß zur Person Jochen Raue und zum Revier Frammersbach. Die frühe Begeisterung von Jochen Raue für die Natur und den Wald gehörten ebenso dazu, wie das oftmals schwierige Geschäft einer effizienten Jagd. Jagd und Waldbau, beide gehören unabdingbar zusammen, ergänzen und beflügeln sich gegenseitig. Und die Jagd ist auf einer solchen Fläche nie das Werk eines Einzelnen. Im Revier Frammersbach wirkt ein Team, das vom Teamleiter Jochen Raue bestens geführt wird.
Dr. Wolfgang Kornder ging in seiner Ansprache auf den Grundsatz „Wald vor Wild“ ein, versuchte die häufig anzutreffende Ablehnung dieses Grundsatzes verständlich zu machen und andererseits zu erklären, weshalb es im Revier Frammersbach funktioniert.
Danach wurde das obligatorische Holzpuzzle und die Urkunde unter großem Beifall überreicht. Jochen Raue war sichtlich angetan, bedankte sich für diese Würdigung und verwies aber ganz klar darauf, dass es sich hier um eine Mannschaftsleistung handelt. Für die zahlreich anwesenden Begehungsscheininhaber hatte er deshalb nicht nur schöne Worte, sondern auch ein kleines Präsent dabei.
Anschließend gingen wir zum gemütlichen Teil über. Das Buffett, das vom BaySF-Betrieb Hammelburg und dem ÖJV-Bayern gesponsert wurde, fand regen Zuspruch. Viele Gespräche wurden geführt.
Wir erlebten eine sehr stimmige, fast familiäre Feier. Man fühlte sich in dieser Atmosphäre unter Gleichgesinnten wohl. Sichtlich zufrieden konnten alle so einen sehr schönen Abend verleben.
Der „Wald vor Wild Preis“ des ÖJV Bayern wird im Jahr 2023 an Jochen Raue verliehen.
Sehr geehrter Herr Dr. Kornder, als Vorsitzenden des ÖJV,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Raue, lieber Jochen,
Wald vor Wild.
Dieser Grundsatz wurde vor rund 20 Jahren von allen Fraktionen des damaligen Landtages befürwortet ins Bayerische Waldgesetz aufgenommen, um die Bedeutung der Jagd für eine nachhaltige, gemischte Verjüngung des Waldes zu unterstreichen.
Was nun bedeutet „Wald vor Wild“ für die Jagdausübung“?
Sehr vielen Jägern ist dieser Satz ein Dorn im Auge. Sie setzen ihn häufig gleich mit der Forderung, unser Schalenwild solle wohl ausgerottet werden. Ich denke, wenn der Gesetzgeber Letzteres damit gemeint hätte, wäre eine entsprechend klare Formulierung nicht sehr schwer zu finden gewesen.
Will sagen: Ausrottung ist mit dem Satz sicher nicht gemeint!
Allerdings kommt eine Priorisierung mit diesem Satz „Wald vor Wild“ zum Ausdruck. Für mich:
Es ist wichtiger, dass sich grundsätzlich alle Waldbäume - ohne Schutz - erfolgreich verjüngen können, als einen hohen Schalenwildbestand im Wald zu hegen.
Entsprechend wurde dann auch 2005 die Forderung, dass die Bejagung die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen solle, in das Bayerische Jagdgesetz aufgenommen.
Prioritäres Ziel ist es gerade heute, den Wald langfristig gesund und leistungsfähig zu erhalten, in Hinblick auf all seine Funktionen.
Dazu bedarf es in aller erster Linie gemischter Wälder, die wir auf großer Fläche nur über natürliche Verjüngung, wo nötig unter Ergänzungspflanzung geeigneter Baumarten erreichen können.
Und genau hier zeigt sich die Notwendigkeit und Wirkung einer diesem Ziel gerechten Jagdausübung. Wird sie nachhaltig angemessen ausgeübt, zeigt uns der Wald, was er kann. Die Keimlinge nahezu aller jeweils vorhandenen Baumarten entwickeln sich und starten in Mischung Seite an Seite ihr Rennen ums Licht.
Selbst Tannen, Vogelbeeren, Hainbuchen oder Eichen als vom Schalenwild i.d.R. bevorzugte Knospenäsung haben eine reelle Chance, auch ohne künstliche Schutzmaßnahmen und Pflegeeingriffe zumindest Brusthöhe zu erreichen.
Die Jagd ermöglicht es so dem Förster oder Waldbesitzer aus gemischten Jungwüchsen über gezielte Hiebsführung und Pflege auf großen Flächen zielgerechte Waldbestände zu entwickeln.
Es braucht also den Jäger und den Förster!
Und so komme ich nun zu unserem heutigen Preisträger, dem Jochen Raue.
Jagd und Forstberuf übt er nun schon seit gut 30 Jahren aus.
Als kleiner Junge ist er bei gelegentlichen Wanderungen seiner Mutter dadurch aufgefallen, dass er wohl häufig irgendwie auf der Strecke zurückblieb, weil ihn ein Käfer, ein Ameisenhaufen, Pilz, Vogel oder ein Pflänzchen mehr interessierten, als schöne Ausblicke oder eine rasche Zielerreichung.
Die Mutter merkte sich das. Und später während der Endschulphase wusste der Jochen nicht so recht, womit er mal seine Brötchen verdienen wolle. Worauf die Mutter: „ Mensch Jochen! Förster, das wär doch was für Dich!“
Und so kams dann auch. Praktika im Frankfurter Stadtwald, Forststudium inklusive jagdlicher Ausbildung, staatlicher Vorbereitungsdienst, Examen und Verbeamtung mit zunächst einer Reviervertretung beim damaligen Forstamt Gräfendorf.
Mit der Übertragung des Staatswaldreviers Lindenhardt beim damaligen Forstamt Hollfeld Mitte der 1990ér Jahre konnte Jochen forstlich und jagdlich gewissermaßen loslegen. Seine Vorgesetzten ließen ihm weitgehend freie Hand bei der praktischen Entfaltung seiner Ideen. Pirschbezirke ausweisen, im Team jagen, und man höre und staune: Bewegungsjagden unter reger Beteiligung von Hunden auch auf Rehwild! Das gab es seinerzeit bis dato dort nicht.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Zunehmend gelangen die Laubholzunterpflanzungen der das Waldbild dort prägenden Kiefernbestände auch ohne Zaun- oder aufwändigen Einzelschutz.
Seit 2009 zeichnet Jochen Raue verantwortlich für den Staatswald im Revier Frammersbach. Ein Revier, das unter Jochens Vorgänger, Reinhard Stinzing bereits jahrzehntelang eher intensiv bejagt wurde.
Worin nun liegt nun das „Wald-vor-Wild“ preiswürdige Verdienst und Tun von Jochen Raue?
Wir alle konnten vorhin die üppigen, gemischten Verjüngungen bestaunen – ohne über Zäune steigen zu müssen. Äußerst bemerkenswert dabei sind die hohen Weißtannenanteile, die man wirklich überall im Revier im Umfeld mannbarer Tannen finden kann. Sogar einzelne, dem Schalenwildäser entwachsenen Eichen sind in den Verjüngungen beteiligt.
Verbiss-, Fege- und Schälschäden bewegen sich nachweisbar seit Jahren im Minimalbereich. Anders ausgedrückt: Der Wald wächst im Rahmen des jagdlich Möglichen zielgerecht - ganz im Sinne der vorhin genannten Gesetze.
Wie kann so etwas gelingen?
Nach meinen eigenen Erfahrungen braucht es als Grundvoraussetzung einen ausgeprägten Willen zur Zielverfolgung. Danach kommen zunächst die nötige Freiheit und das Know How.
Jochen hat das Alles.
Was Ihn dabei besonders auszeichnet sind dabei zwei Erkenntnisse:
Ich denke daher rührt sein in der Tat sehr nachhaltiges Engagement sich um ein gutes Jagdteam zu kümmern. Die Jagd samt all ihrer Vor- und Nacharbeiten, das ganze Drum Herum soll erfolgreich sein und überwiegend Freude machen!
Er wählt seine Mitjägerinnen und Mitjäger gezielt aus, scheut keine Kritikgespräche, lässt jedem soviel Freiheit wie möglich und legt Wert auf regelmäßige, gemeinsame Unternehmungen und freut sich aufrichtig über jeden jagdlichen Erfolg.
Wenn nötig, lässt er aber auch keinen Zweifel daran, wer die Kappe aufhat.
Im Grunde ist er neben dem Förster weniger selbst jagender Jäger, sondern ein jagdpraktischer Manager, der rund ein Viertel seiner Gesamtarbeitszeit ausschließlich in das Jagdmanagement investiert.
Ich kenne Jochen als humorvollen, empathischen und vielseitig interessierten Menschen. Er kann gut zuhören, fordern aber auch motivieren.
Für mich ist es deshalb kein Wunder, dass das jagdliche Team in seinem Revier so gut funktioniert. Man jagt gemeinsam, erfolgreich und freut sich über Beute und dass der Wald wächst.
Ich denke Jochen Raue gelang und gelingt es zusammen mit seinen Mitjägern das Potenzial des ihm anvertrauten Waldes optimal zu nutzen, und somit unseren Nachkommen nach heutigem Wissensstand ein Höchstmaß an Waldökosystemleistung und Nutzungsvariantenvielfalt zu überlassen.
Mehr kann man als Förster und Jäger eigentlich nicht erreichen.
In diesem Sinne sage ich:
Lieber Jochen, Waidmannsheil!
Du und Team, ihr habt den „Wald vor Wild Preis“ verdient!
Wolfgang Grimm
Bereichsleiter Forsten
Am AELF Karlstadt
Sehr geehrte Gäste,
lieber Jochen Raue,
liebe Anne,
wir sind hier heute in einer vertrauten, fast familiären Runde versammelt. Bis auf den Bürgermeister von Frammersdorf – danke Herr Christian Holzemer, dass Sie gekommen sind – kein einziger Politiker. So kurz nach der Wahl ist das auch ein bisschen schwierig. Wir wussten ja bis gestern noch gar nicht, wer Jagdminister oder Jagdministerin sein wird. An dieser Stelle an den inzwischen bekannt gewordenen Jagdminister Hubert Aiwanger meinen herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt.
Ganz abgesehen, dass noch nie ein Minister oder eine Ministerin bei der Verleihung des Wald-vor-Wild Preises anwesend war, weiß ich nicht, ob es geschickt wäre den neuen Jagdminister gerade zu unserer Preisverleihung einzuladen. So wie wir Hubert Aiwanger kennen, wird es vermutlich gewisse Probleme mit diesem Bayerischen Gesetzesgrundsatz haben. Andererseits liegt eine seiner Stärken ja angeblich beim „gesunden Menschenverstand“ – da würden wir dann punkten.
„Wald vor Wild“, es gibt alle möglichen Varianten zu diesen drei Worten. Für uns, für alle, die der Realität nicht ausweichen, ist es völlig unstrittig, dass diese Reihenfolge alternativlos ist.
„Wald vor Wild“ heißt nicht „Wald ohne Wild“ wie das immer wieder kolportiert wird. Man hat den Eindruck, dass so manche hier bewusst ungenügende Deutschkenntnisse vorgaukeln, einfach, um Stimmung dagegen zu machen. Rein ökologisch gesehen ist es unstrittig, dass Lebewesen ihren Lebensraum mitgestalten, aber ebenso unstrittig ist es, dass es ohne Lebensraum nicht geht, so wie es keinen Reiter ohne Pferd gibt.
Wald-vor-Wild, da ist Bayern ein Glücksgriff gelungen, den im Nachhinein nicht alle politisch Verantwortlichen so betont haben möchten. Ein herzlicher Dank dem ehemaligen Staatsminister Brunner, dass er das 2005 umgesetzt hat.
Wald-vor-Wild – ist eine Zuordnung, die der Nahrungspyramide nachempfunden ist: es gibt einfach keine Pflanzenfresser ohne Pflanzen und keine Prädatoren ohne Beutetiere. Wald-vor-Wild trifft den Nagel auf den Kopf.
Man kann sich fragen, woher die starke Animosität gegen diese Gesetzesgrundlage kommt. Sicher sind die Antworten vielschichtig:
Die wohl Treffendste liegt in einer persönlich bedingten Schwerpunktsetzung: Im Kerngeschäft der Jagd geht es um das Töten von Tieren – alles andere kann man auch als Naturschützer machen. Wenn also das Töten von Tieren im Vordergrund steht, stehen die Tiere im Vordergrund, nicht der Lebensraum, denn ohne Tiere hat man nichts zum Töten. Und das schlägt wohl bei vielen Jäger:innen bewusst oder unbewusst durch.
Und damit das Töten, „Erlegen“ von Tieren irgendwie auch interessant und spannend bleibt, muss man Regeln und Kriterien einführen, die genug Tiere vorhalten und das Ganze trotzdem spannend und interessant bleiben lassen. Und deshalb wird nach Auswahl gejagt, werden Trophäen bewertet und Klassen eingerichtet, die offiziell oder informell den Maßstab des Abschusses bilden. IIa oder IIb, Auslage, Enden und Anderes werden so zum Abschusskriterium. Und der Abschuss wird dann in Sozial- und Altersklassen hinein verpackt, die bei den meisten Wildarten niemand genau kennt, kennen kann. Bei unserer häufigsten Schalenwildart, dem Rehwild, ist dem ohne Zweifel so.
Ganz anders geartet ist eine Begründung, die im handwerklichen Können von Jäger und Jägerinnen liegt. Wer es einfach handwerklich nicht fertig bringt, Schalenwildbestände anzupassen, der wird das Lebensrecht unangepasster Schalenwildbestände eher gegenüber dem Schutz der Lebensgrundlage Wald betonen. Waldunverträglichen Schalenwilddichten seien dann einer profitorientierten Forstwirtschaft oder wem auch immer geschuldet. In einer romantisch-verklärten Gesellschaft a la Wohlleben und Anderer kommt das auch ganz gut an.
Am Dienstag war ich bei der Verbändediskussion zum Wolfabschuss, den Umweltministerin Lemke in die Diskussion gebracht hat. Da ist die Vertreterin von PETA aufgestanden und hat verkündet, dass sie grundsätzlich gegen Wolfsabschüsse sind, aber genauso grundsätzlich gegen die Haltung von Tieren als Nutztiere. Das war sozusagen ganz real der Gegenpol zu Wald-vor-Wild, zu angepassten Schalenwildbeständen.
Der Tierschutz ist damit in seiner krassesten Form angesprochen. Abgestuft wird er von den Freunden und Freundinnen hoher Schalenwildbestände ganz gezielt eingesetzt, um den Abschuss vor allem von trophäentragenden Populationen zu erschweren. Mit dem Tierschutz als Monstranz lässt sich (fast) jeder Rotwildbestand in die Höhe treiben. Es funktioniert nicht nur im Alpenraum bestens. Dass das irgendwann ein Bumerang wird, haben diese Vertreter.innen noch nicht kapiert. Im Kanton Tessin in der Schweiz wurden letztes Jahr erstmals führende Alttiere zum Abschuss freigegeben, ohne dass vorher die Kälber erlegt sein mussten. - Irgendwann holt halt der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – bei uns in GG 20a – den (überzogenen) Tierschutz ein.
Die Gruppe derer, die es handwerklich nicht hinbekommt und damit ihre Blöße bedeckt halten will, findet sich auch unter Förstern und Försterinnen. Wenn das dann bewusst oder unbewusst mit dem Trophäendenken kombiniert ist, dann braucht man sich nicht mehr wundern, dass selbst großflächige staatliche Jagdbereiche, ja ganze BaySF-Betriebe, nach den Farbskalierung des Forstlichen Gutachtens mit der Farbe Rot brillieren – gerade auch hier im Spessart.
Damit komme ich zu Jochen Raue.
Unter hohen gesetzlichen tierschutzrechtlichen Hürden, unter dem Blick einer zumindest äußerlich/formal sehr tierschutzorientierten Opposition (der der Zustand des Waldes völlig egal zu sein scheint), unter den Ideologien vermeintlich sehr wohllebender Zeitgenossen, dass Schalenwildbestände in einer energiereichen Kulturlandschaft sich selbst regulieren, ist die Anpassung von Schalenwildbeständen wie die Quadratur des Kreises. Dieses Kunststück ist Jochen Raue und seinem Team gelungen. Deshalb haben wir uns ja heute hier versammelt.
Und wir dürfen, ja wir müssen fragen, wie das gelingt?
Erster Punkt: Das gelingt niemandem alleine. Dazu braucht man eine Mannschaft, die je nach der Fähigkeit der Einzelnen mitzieht. Eine Mannschaft, die ein gewisses handwerkliches Können mitbringt und bereit ist, dazuzulernen. Solche Leute hast Du, Jochen, in Deinem Team. Das ist die Grundvoraussetzung.
Dazu braucht es weiter gerade in den großen, zusammenhängenden Spessartrevieren im Jagd-Team auch Hunde, die was taugen und das Wild auf die Läufe bringen. Ohne gute, spur-, zumindest sichtlaut jagende Hunde geht das nicht. Auch die müssen ihr Handwerk beherrschen. Und ich freue mich, dass ich mit unseren Beagles hier in Frammersbach schon viele Jahre lang unseren Beitrag leisten darf.
Man braucht drittens dazu eine Mannschaft, deren Ethik nicht beim Tier aufhört. Zur Schöpfung gehören auch die Pflanzen und anderer Teile des Ökosystems, deren Be-Achtung die durch Menschen bedingte Schalenwildanpassung fordert. Wenn die Achtung und der Schutz bei den trophäentragenden Wildtieren endet, sind wir am Ende. Von daher gilt mein Respekt all denen, deren Blick nicht engstirnig auf solche Einseitigkeiten gerichtet ist. Der Blick auf das größere Ganze erfordert gerade in der Kulturlandschaft mit ihrem hohen Energieeintrag die Anpassung der Schalenwildbestände, - zugunsten der Gesellschaft und der Schalenwildbestände. Beide brauchen den stabilen, funktionierenden Lebensraum Wald.
Man braucht viertens dazu bestimmte menschliche Qualitäten. Oder anders ausgedrückt: Mit gewissen menschlichen Qualitäten ausgestattet gelingt dieser Balanceakt leichter. Und solche menschlichen Qualitäten, die hast Du, lieber Jochen. Eine ruhige, gelassene Umgangsart. Die verhindert unnötige Konflikte und wirkt deeskalierend. Hintergrund ist die Wertschätzung anderer Menschen, auch wenn sie diametral zur eigenen Meinung stehen. Langfristig zahlt sich das aus, weil es im Gegenüber eine Offenheit fördert, die Veränderungen ermöglicht. Dass Dein Team wächst, ist meines Erachtens eine Folge davon.
Dir, lieber Jochen, und dem von Dir geleiteten Team ist hier etwas gelungen, was in vielen Teilen Bayern und im Speziellen auch hier im Spessart, oftmals nicht gelingt. Der Wald wächst, entwickelt und verjüngt sich selbst inmitten der Klimakrise, trotz der umgebenden hohen Rotwildbestände. Dafür mein herzlicher Dank, stellvertretend für die Gesellschaft, die solche Wälder braucht, stellvertretend für die Jägerschaft, deren Zukunft meines Erachtens nur darin liegen kann, bei ihrem Jagen einen weiten Blick auf das Ganze als Richtschnur zu nehmen und nicht im Kleinklein hängen zu bleiben.
Ich habe versucht dies alles in wenigen Sätzen auf der Urkunde zusammen zu fassen. Dort steht:
"Der Ökologische Jagdverein Bayern e. V. (ÖJV-Bayern) verleiht Jochen Raue für seine Verdienste um eine waldfreundliche, zukunftsfähige Jagd den „Wald-vor-Wild Preis“ 2023
Jochen Raue hat seit 2009 im BaySF-Revier Frammersbach die Bejagung der Schalenwildbestände mit seinem Team so organisiert, dass sich der Wald trotz der Klimakrise zukunftsfähig entwickeln konnte. Obwohl in weiten Teilen des Spessarts die Wildschadensbelastung - wesentlich durch zu hohe Rotwildbestände bedingt - enorm ist, ermöglichte er durch sein ruhiges, überlegtes und entschiedenes Vorgehen eine effektive, tierschutzgerechte und waldfreundliche Bejagung und konnte so einen Kontrapunkt setzen."
Für diese herausragende Arbeit verleihen wir den Wald-vor-Wild Preis 2023.
In diesem Sinne sage ich Dir herzlich „danke“, Dir und auch Dir Anne, weil Du ja dieses Engagement immer mitgetragen hast und dabei auch immer wieder Verzicht leisten musstest.
Euch beiden und dem Team: Herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch!
Dr. Wolfgang Kornder
(1. Vorsitzender ÖJV Bayern)